Bom dia! So begrüßt man sich hier in Brasilien. Wie und warum ich mich entschlossen habe ein ganzes Jahr auf einem anderen Kontinent, 10 000 Kilometer entfernt von meinem Heimatland zu verbringen, werde ich euch hier erzählen.
Erstmal, für alle die mich nicht kennen: ich bin Enya, inzwischen 17 Jahre alt und mache über Rotary ein Auslandsjahr in Brasilien in dem Schuljahr 2024/25.
Was ist Rotary eigentlich?
Ich mache meinen Austausch mit ROTARY, eine Organisation, die neben dem langzeit-Jugendaustausch, den ich gerade mache, noch zahlreiche andere Projekte anbietet, und das alles in einem gemeinnützigen Rahmen. Das Ziel von ROTARY ist es Menschen auf der ganzen Welt zusammenzubringen, Kulturen auszutauschen und dabei die Welt zu einem besseren Ort zu machen.ROTARY ermöglicht euch im Zuge eures Austauschjahres außerdem, viele interessante Orte zu besuchen und vor allem, andere Austauschschüler aus der ganzen Welt kennenzulernen. Eine der schönen Traditionen des ROTARY-Austauschs ist es, Pins seines eigenen Landes mit den Austauschschülern auszutauschen, um damit die Rotary Blazer (die ein Muss für jedes besondere Rotary-Event sind) zu gestalten. Also, falls ihr vorhabt ein Austauschjahr zu beginnen, wissbegierig seid und Teil sein wollt von dieser großen internationalen Familie, dann bezieht in Betracht euren Austausch über Rotary zu machen.
Wann habe ich mich dazu entschieden?
Entschieden dazu habe ich mich zu Beginn der 9. Klasse, da dort die Möglichkeit eröffnet wurde an der individuellen Lernzeitverkürzung (ILV) teilzunehmen, mit der man entweder eine Klasse überspringen oder eventuell ein Auslandsjahr machen könnte. Ziemlich schnell war mir bewusst, dass Überspringen für mich die Option war, die eher weniger in Frage kam. Doch bis ich mir mit meinem Auslandsjahr sicher war, verging einige Zeit, in der ich intensiv darüber nachgedacht habe.
Denn, was ist denn so toll an einem Auslandsjahr?
Man verlässt seine Familie und Freunde für ein komplettes Jahr. Man lässt also sozusagen sein ganzes Leben hinter sich. Dazu ist es nicht sicher, ob man es schafft beim Zurückkommen wieder in den normalen Schulalltag einzusteigen. Und schließlich, hat man keine Ahnung, was einem in einem anderen Land erwartet. Es kann so gut wie alles passieren, vor allem in einer so langen Zeit.
Doch genau das ist es, was so spannend daran ist. Man setzt sich in den Flieger, ohne genau zu wissen, wo es einen hinführt; zu welchen Orten, zu welchen Menschen und zu welchen Freunden… Natürlich muss man, wenn man ein Auslandsjahr machen möchte, dementsprechend auch die richtige Motivation und Einstellung haben. Denn anfangs kann man nur hoffen. Man weiß nicht, was einen erwartet. Allerdings sind einige Punkte in der Theorie schon im Vorhinein sicher. Und hier zitiere ich aus „Ein Schuljahr im Ausland“, herausgegeben von Friedrich Neddermeier: „Du lernst eine zweite Kultur kennen[…]“ (S.5, Z.12) oder „Du lernst eine Fremdsprache sicher zu beherrschen[…]“ (S.5,Z.18). Schon bevor man sein Auslandsjahr antritt, sind diese 2 Punkte schon fest. „Außerdem gewinnst du nicht nur unter den einheimischen Jugendlichen Freunde, sondern auch unter den anderen Austauschschülern[…]“(S.5,Z.20ff.). Und auch wenn all diese Fakten nur theoretisch sind, kann man sich sicher sein, dass diese auch eintreffen.
Meine Anfangszeit
Am 13. August 2024 bin ich in Frankfurt am Main in den Flieger gestiegen und muss sagen, dass ich mich noch nie in meinem Leben so alleine gefühlt habe. Es ist ein komisches Gefühl das erste Mal in seinem Leben alleine eine so große Reise anzutreten, und zu wissen, dass man für 1 ganzes Jahr lang keinen deutschen Boden mehr unter den Füßen haben würde.
Nach 12 Stunden und einigen Turbulenzen, in denen ich einige Male dachte wir stürzten ab, bin ich schließlich im Flughafen São Paulo angekommen, dazu noch dem größten Flughafen Brasiliens. Durch eine 2-stündige Verspätung meines ersten Flugs verpasste ich hier meinen Anschlussflug und musste mit den Leuten am Schalter reden, die eher nur gebrochen Englisch konnten. Allerdings habe ich schon hier bereits mitbekommen, wie freundlich die Brasilianer sind, selbst an einem überfüllten Flughafen. Irgendwie konnten die Mitarbeiter mir dort schließlich einen Ersatzflug verschaffen und nach Stunden des Wartens (insgesamt 8 Stunden Aufenthaltszeit im São Paulo Flughafen) und einer weiteren Stunde Flug, kam ich schließlich in Curitiba an.
Brasilien besteht insgesamt aus 26 Bundesstaaten und ich befinde mich in Paraná, das relativ im Süden gelegen ist. Curitiba ist deren Hauptstadt und mit seinen rund 1,7 Millionen Einwohnern gerade mal die 8. Größte Stadt Brasiliens. Zusammen mit meinen Gasteltern blieben wir dort für einen weiteren Tag, um uns die Sehenswürdigkeiten Curitibas anzusehen.
Nach einer 7-stündigen Fahrt, die in Brasilien-Relation noch kurz ist und in der ich unter anderem den brasilianischen Straßenverkehrt inklusive der anderen interessanten Sicherheitsregeln kennenlernen durfte, kamen wir schließlich in Francisco Beltrão an, der 100.000-Leute Stadt, in der ich meinen ganzen Austausch verbringen werde. Für mich war es schon eine mehr oder wenige große Umstellung, von einem 3.000-Einwohner Dorf in eine Stadt mit mehreren 10-Tausenden Menschen zu kommen. Allerdings lachen mich die Leute hier immer noch aus, wenn ich sage, dass Francisco Beltrão für mich groß ist.
Was fasziniert mich hier in Brasilien bis jetzt am Meisten?
Ich muss sagen, dass vor allem die Menschen hier mich sehr bewundern. Im Gegensatz zu Deutschen, die den Ruf haben vielleicht ein klein wenig verschlossen zu sein, ist das in Brasilien nicht der Fall. Von allen hier wurde ich so herzlich begrüßt, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Kommt als Deutsche oder andere Ausländer nach Brasilien, und ihr werdet mit offen Armen empfangen, begleitet mit tausenden Fragen über das Land aus dem ihr seid und den Fragen, ob euch Brasilien gefällt. Wer hier mit „nein“ antwortet, dem würde wahrscheinlich auch verziehen.
Aufgrund dieser Offenheit und Herzlichkeit der Menschen hatte ich auch keine Schwierigkeiten schnell viele verschiedene Freunde zu gewinnen, sei es in oder außerhalb der Schule.
Trotzdem würde ich lügen, wenn ich sagen würde, die ganze Zeit hier ohne Probleme zu verbringen.
Schwierigkeiten im Austauschjahr
Es ist in einem Austausch leider sehr normal dass es immer wieder Hochs und Tiefs gibt, und obwohl zum Glück bei mir die Hochs mit einer Vielzahl überwiegen, muss man verstehen, dass es völlig normal ist auch Tage zu haben, die schwieriger sind.
Es ist völlig normal am Ende eines Tages einfach kaputt ins Bett zu fallen. Es ist völlig normal es Leid zu sein, den ganzen Tag in der Schule zu sitzen und niemanden zu verstehen, so wie es mir den ersten Monat ging. Inzwischen kann ich mich glücklich schätzen die Sprache schon so gut zu beherrschen, dass ich in der Lage bin so gut wie alles zu verstehen und mich ohne große Probleme auch alleine verständigen zu können.
Außerdem habe ich habe Glück in meiner Stadt mit 5 anderen Austauschschülern zu sein, die mir schon alle sehr ans Herz gewachsen sind. Dadurch habe ich immer die Möglichkeit über meine Probleme reden zu können, mit Personen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich. Während meine brasilianischen Freunde vielleicht nicht alles nachvollziehen könnten, sind meine Freunde vom Austausch immer für mich da.
Und das ist neben den Schwierigkeiten auch ein großer Vorteil, der einem während eines Austauschjahres zu Teil wird. Nicht nur das Erlernen einer fremden Sprache, sondern auch das Freundschaften-Schließen mit einer Vielzahl verschiedener Menschen und vor allem, eine Kultur und ein anderes Land tief und ganz nah zu erleben.
Was ist in Brasilien so anders, als in Deutschland
Oft werde ich hier gefragt, was denn die größten Unterschiede sind zwischen Deutschland und Brasilien und oft antworte ich mit Dingen wie, Sicherheit, Sprache, Kultur, Musik…
Allerdings will ich hier eine andere Antwort geben, die auch sehr viel mehr meiner Meinung entspricht. Ich kann nämlich nicht leugnen, dass es doch am meisten die kleinen Gemeinsamkeiten sind, die es für mich ausmachen, nicht die Unterschiede. Denn was ich gelernt habe, in meiner, wenn auch nur kurzen, Zeit hier ist, dass, so sehr sich Kulturen, Einstellungen, Essen, Musik und Bildung unterscheiden mögen, wir doch alle Menschen mit den gleichen Macken, den mehr oder weniger gleichen Gedanken und vor allem aber den gleichen Herzen sind.